Navigation mit Staumelder
Wie moderne Navigation Big Data zur Routenführung und Stauumgehung nutzen. Ein Überblick über den aktuellen Stand der Technik zur Verkehrslage in Navigationssystemen.
Die Erfassung der Verkehrslage hat sich in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt. In den Anfängen wurden rein redaktionelle Meldungen von Polizei oder ADAC im Radio verlesen. Später kamen Induktionsschleifen, Sensoren an Brücken und die Übermittlung als Datenstream an die Navigation hinzu. Eine Zäsur war der Übergang zum Crowd-Sourced Big Data Ansatz bei dem aus einer möglichst großen Menge von Rohdaten aus Smartphones und Autos ein bislang nicht dagewesenes detailliertes Bild der Verkehrslage geschaffen wird. Für Navigationssoftware bedeutet das einen großen Wandel, den wir hier anhand der Software MapTrip darstellen.
Verkehrslage früher
Früher wurde die Verkehrslage ausschließlich im Radio vorgelesen. „Auf der A3, zwischen Anschlussstelle x und y, 5km Stau wegen eines Unfalls.“ Man musste im Auto aufmerksam zuhören, um mitzubekommen ob die eigene Strecke betroffen war. Wenn ja, musste der Beifahrer die Straßenkarte zurate ziehen und ggf. eine Alternativstrecke empfehlen.
Die Verkehrsmeldungen wurden mit dem s.g. Hinztriller an- und abgemeldet, durch den das Autoradio eine Verkehrsnachricht als solche erkannte. Der Hinz-Triller konnte auch mit anderen Kennmelodien der jeweiligen Radiostation kombiniert werden.
Die Quelle der Verkehrsinformationen war früher in erster Linie die Polizei, der ADAC, später kamen Sensoren an Brücken und Induktionsschleifen in der Fahrbahn hinzu. Wurde sie zu einem Einsatz gerufen, meldete sie Staus an die Verkehrsredaktionen der lokalen Radiosender, die sie in der nächsten Radiosendung vorlas.
Die ersten Navigationssysteme mit Verkehrsinformationen verwendeten s.g. TMC-Nachrichten. Es waren im Grunde die gleichen redaktionellen Staumeldungen die im Radio vorgelesen wurden und sie wurden ebenfalls per Radio übertragen. Allerdings konnten sie von einer Navigationssoftware empfangen und automatisch in der Karte angezeigt und in der Zielführung berücksichtigt werden.
So konnte die Verkehslage erstmals in der Navigation automatisch berücksichtigt werden. Dies war grundsätzlich ein riesiger Schritt, allerdings haben wir auch alle erlebt, wie unzulänglich die Technologie noch war. Da stand man stundenlang im schlimmsten Stau und das Navi meinte alles sei frei. Oder es umfuhr auf abstrusen Umwegen einen Stau der sich schon längst aufgelöst hatte. Obwohl niemand mehr auf Verkehrsinfos im Navi verzichten wollte war der Frust groß.
Verkehrslage in der Navigation heute
Mit der zunehmenden Etablierung von Smartphones eröffneten sich auch ganz neue Perspektiven für die Erzeugung von Verkehrsinformationen. Einen ersten wichtigen Schritt unternahm TomTom im Jahr 2008. In einer Kooperation mit Vodafone wurden Mobiltelefone lokalisiert. Daraus ließen sich Verkehrsbewegungen auf den Autobahnen erkennen. Damit reicherte man die klassischen TMC-Informationen an und erhielt so eine bessere Abbildung der Verkehrslage.
Crowd-Sourced Big Data
Später setzte sich aber ein anderes Verfahren durch, bei dem man ohne die Kooperation mit einem Mobilfunkunternehmen auskam. Anstelle der Lokalisierung im Mobilfunknetz setzte man auf s.g. Floating Car Data (FCD). Dafür muss man eine große Anzahl Smartphones dazu bringen, regelmäßig ihre GPS-Position zu melden. Bei einer ausreichenden Anzahl kann man daraus die aktuelle Verkehrslage sehr exakt bestimmen. Dahinter steckt eine Big-Data Anwendung par-excellence. Je mehr Rohdaten man hat, umso besser.
Kostenlose Navi-Apps als Datenquelle
Hierin liegt auch die Existenzberechtigung für die kostenfreien Navi-Apps. Google Maps, Here Maps oder Waze (auch Google) sind im Grunde Datensammel-Apps. Bei der Benutzung senden die Apps GPS-Positionen, also Floating Car Data, an ihren Herausgeber die sie als weitere Zutat zur Erzeugung von Verkehrsinformationen nutzen.
Auf Autobahnen ist die Erzeugung von Verkehrsinformationen aus GPS-Daten noch relativ einfach. In Innenstädten dagegen ist es eine Wissenschaft, zwischen GPS-Daten von Fußgängern und Autofahrern im Stau zu unterscheiden. Daher spielt es auch eine große Rolle, welche Quellen man für die GPS-Rohdaten nutzt. Stammen viele Daten z.B. von Taxiflotten hat man eine gute Abdeckung der Innenstädte aber auch die Herausforderung an Taxihaltestellen keine falschen Staus an die Navigation zu melden. Erhält man viele GPS-Rohdaten von LKWs hat meine eine gute Abdeckung der Autobahnen aber nicht der Innenstädte.
Dies ist eine Herausforderung der sich die Anbieter von Verkehrsinformationen stellen. Sie müssen sicherstellen, dass sie einen ausgewogenen Quellenmix für ihre Rohdaten haben. Am wichtigsten erscheint uns jedoch die schiere Masse der Rohdaten.
Google Maps macht’s mit Masse
Hier kommt man zwangsläufig auf Google. Mit seinem Android-Betriebssystem verfügt Google über die mit Abstand größte Quelle für GPS-Rohdaten, hier Floating Phone Data. Hinter vorgehaltener Hand geben auch viele Navigationsspezialisten von BMW, VW oder Mercedes zu, dass sie neben der eigenen fest eingebauten Navigation auch immer Google Maps laufen haben, um einen zweiten Blick auf die Verkehrslage zu haben. Leider sind die Verkehrsdaten von Google aber nicht separat zu nutzen. Der Konzern bietet sie nicht an.
HERE und die Automobilindustrie
Ein weiterer Akteur, den wir mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, ist HERE. Nachdem HERE (zuvor Navteq) vor einigen Jahren von einem Konsortium der deutschen Automobilindustrie gekauft wurde, hat man dort theoretisch Zugriff auf sämtliche Sensordaten der Autos. So könnten sehr genau Informationen über Geschwindigkeit, Wetter, Tempolimit oder glatte Fahrbahnen gewonnen werden. Wir warten ungeduldig darauf, diese Daten von HERE beziehen zu können und in MapTrip zu integrieren!
Viele Zutaten
Redaktionell erstellte Verkehrsdaten sind heute also vom Kern der Verkehrslagebeschreibung an den Rand gewandert. Sie sind aber weiterhin wichtig, da sie dem menschlichen Nutzer wichtige Kontextinformationen liefern: Ob ein Stau wegen einer Baustelle, wegen Glatteis, wegen hohen Verkehrsaufkommens oder wegen einer Vollsperrung entsteht ist ein erheblicher Unterschied. Auch heute werden daher automatisch erzeugte Verkehrsflussdaten durch redaktionelle Verkehrsmeldungen ergänzt.
Übertragungswege
Radio
Auch heute noch können z.B. TMC-Meldungen per Radio empfangen werden. Für einige Anwender im Telematikumfeld ist diese Lösung attraktiv, weil sie die kostengünstigste Methode ist, Verkehrsmeldungen zu empfangen. Allerdings ist dieser Übertragungsweg sehr eingeschränkt und für die Fülle moderner Verkehrsinformationen ungeeignet.
Internet
MapTrip und andere moderne Navigationssysteme nutzen Internetverbindungen, um die Verkehrslage zu erhalten. Im professionellen Umfeld und bei großen Flotten spielt das dafür übertragene Datenvolumen nach wie vor eine große Rolle. Die intelligente Auswahl der wirklich benötigten Informationen und Algorithmen zur Datenkompression helfen, die Kosten der Datenübertragung auf ein Minimum zu reduzieren.
So kommen die Verkehrsdaten ins Navi
Verkehrsdaten morgen
Wir glauben, dass Verkehrsdaten sich noch stark weiterentwickeln werden. Einerseits kann die Qualität der Stauinformation verbessert werden, zum anderen kann die Art der Daten weit über die reine Stauinformation ausgeweitet werden, so dass alle Informationen die für den Autofahrer relevant sind, abgedeckt sind.
Aktualität, Abdeckung und Genauigkeit
Je schneller ein Stau als solcher erkannt und gemeldet wird nachdem er entstanden ist, umso besser. Auch der genaue Ort des Anfangs und des Endes spielen für eine Navigation eine große Rolle. In MapTrip analysieren wir heute schon die Geschwindigkeit der Verkehrslage auf der Autobahn. Fällt diese auf kurzer Strecke stark ab, interpretieren wir dies als Stauende und MapTrip gibt eine entsprechende Warnmeldung aus. Je präziser und aktueller diese Informationen sind, umso besser funktioniert die Warnung.
Am besten funktionieren Verkehrsdaten heute auf Autobahnen, denn hier sind die meisten Floating Car Daten verfügbar. Aber auch innerorts werden Verkehrsinfos immer wichtiger, um in Ballungsgebieten den optimalen Weg durch den Verkehrsdschungel zu finden. Auf den Hauptverkehrswegen in großen Städten funktioniert das heute schon sehr gut. Aber mehr Daten in höherer Qualität sind auch hier immer willkommen.
Spurgenaue Verkehrslage ist wichtig für Navigation
Hier kommt unser Wunsch an die Anbieter von Verkehrsinformationen: Vor einem Autobahnkreuz stauen sich auf der rechten Spur die LKWs während links der Verkehr flüssig vorbei rollt. Die Verkehrsdatenanbieter erzeugen in dieser Situation den Mittelwert aus den stehenden LKWs und dem fließenden Verkehr und erzeugen für diesen Autobahnabschnitt einen Stau. Diese Information ist nun, egal ob man geradeaus fährt oder rechts abbiegen will, falsch.
Mit spurgenauen Verkehrsinformationen könnte die Realität viel besser abgebildet werden:
Regen, Glatteis, Nebel
Verkehrsinformationen werden in Zukunft deutlich über die reine Beschreibung der Verkehrslage ausgeweitet werden. Durch die Vernetzung von Fahrzeugflotten können z.B. Informationen über Regen (Scheibenwischer an) oder Nebel (Nebelscheinwerfer an) über die Cloud für die Navigation zur Verfügung gestellt werden. Auch eine glatte Fahrbahn könnte an andere Verkehrsteilnehmer weitergegeben werden, indem man den Eingriff der Stabilitätskontrolle von Fahrzeugen meldet.
Prognose
Die Verkehrslage auf den Straßen ist eine sehr dynamische Angelegenheit. Wie jeder Pendler aus eigener Erfahrung weiß, kann es einen himmelweiten Unterschied machen, ob man morgen um 6 Uhr oder um 6:15 Uhr zur Arbeit losfährt oder sich nachmittags um 16:15 Uhr oder um 16:30 Uhr auf den Heimweg macht. Für uns als Entwickler von Navigationssoftware bedeutet das, dass die von MapTrip berechnete Fahrtzeit um 6:15 Uhr mit hoher Wahrscheinlichkeit präzise stimmt, aber um 6:30 Uhr erheblich daneben liegen kann. Zwar berücksichtigen unsere Algorithmen schon heute die voraussichtliche Entwicklung der Verkehrslage, aber die Verkehrsdaten spiegeln die Realität in diesen dynamischen Phasen nur ansatzweise wider. Hier hoffen wir auf deutliche Verbesserungen seitens der Anbieter in der Zukunft.
Wie nutzt MapTrip Verkehrsinfos?
Wie oben beschrieben, sind Verkehrsinformationen keine lokalen Störstellen mehr. Diese konnten früher direkt von den Navigationsgeräten empfangen und in der Routenberechnung berücksichtigt werden. Heute wird die Verkehrslage für die Navigation vielmehr als ein vieldimensionales Informationsuniversum dargestellt, bestehend aus aktuellen, statistischen und Prognosedaten. Hinzu kommen zunehmend Informationen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Wetter oder Straßenbeschaffenheit.
Diese Informationsflut kann nicht sinnvoll auf mobilen Endgeräten verarbeitet werden. Dazu würden weder die Übertragungs- noch die Rechenkapazitäten von Smartphones oder Navigationsgeräten ausreichen.
MapTrip Navigation mit aktueller Verkehrslage downloaden
Wir haben uns für MapTrip daher für eine serverzentrierte Architektur entschieden. Das MapTrip Backend erhält laufend die aktuellsten Verkehrsdaten und kann so optimale Routen berechnen. Die Navigationssoftware im Fahrzeug stellt lediglich Routenanfragen an die Server und erhält die optimale Fahrstrecke fertig berechnet zurück. Dieses Konzept bietet darüber hinaus den Vorteil, dass der Server die Navigation jederzeit über schnellere Routenoptionen informieren kann.
Die Vorteile im Überblick:
- Optimale Routen und präzise Ankunftszeiten da im gesamten Straßennetz der Verkehr berücksichtigt wird. (serverseitige Berechnung)
- Minimaler Ressourcenverbrauch auf dem mobilen Endgerät (thin client) da aufwändige Berechnungen auf den Server ausgelagert werden.
- Immer aktuelle Karten da die Server laufend Updates erhalten.
- Lokal auf dem mobilen Gerät gespeicherte Straßendaten erlauben Navigation auch offline als Fallback (dann ohne Verkehrsinformationen)